Döllinger Mundart

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Autor: Kurt Hofmann

Die Grenzlage unserer Region in der Lausitz, die zeitweilige Zugehörigkeit zu Sachsen, zu Sachsen-Anhalt im damaligen Preußen, jeweils an den Grenzen dieser Länder, hat bewirkt, dass von einem einheitlichen und ausgeprägten Dialekt nicht die Rede sein kann. Vielmehr werden in den einzelnen Orten, jeweils nach ihrer Lage mehr oder weniger unterschiedliche Mundarten gesprochen. Während im südlichen Teil, etwa in den Schradendörfern, ein sächsischer Einschlag vorherrscht, wird im Norden z.B. in Gorden schon eher mit brandenburgischem Einschlag gesprochen.

Einschränkend muss jedoch auch festgestellt werden, dass es nach dem 2. Weltkrieg zu einer starken Veränderung unserer Sprache kam. Dazu führte eine ganze Reihe von Faktoren.

Der Krieg brachte es mit sich, dass in unserer Region, wegen der Bombenangriffe, Berliner Familien, insbesondere Frauen und Kinder untergebracht wurden, die aus Platzmangel in die jeweiligen Familien einbezogen wurden. Zum Kriegsende kamen die Flüchtlingswellen aus dem Osten. Auch diese Flüchtlinge müssten überwiegend in die Familien integriert werden, da es wegen der fehlenden Wohnräume gar nicht anders ging. Die Männer befanden sich beim Militär, was zunehmend mit Leuten aus allen Gegenden Deutschlands durcheinander gewürfelt war. Hinzu kam die schnelle Verbreitung des Rundfunks und später des Fernsehens. So kam es, dass der Umgang mit Fremden und die fortschreitende Technik, zu mindest in unserer Region, die Mundart immer mehr abschliff.

Damit soll nicht gesagt sein, dass jetzt bei uns ein gepflegtes Hochdeutsch gesprochen wird. Jedoch muss festgestellt werden, dass die derzeitige Mundart mit der vor etwa 70 Jahren nicht mehr vergleichbar ist.

Immerhin sind jedoch noch Redewendungen in Gebrauch die der damaligen Sprechweise entsprechen.

Wie eingangs erwähnt bewirkt unsere Grenzlage teilweise eine Mischung verschiedener Dialekte und sogar Sprachen. Zwar zeugen davon zu letztgenannten nur noch einzelne Worte, die sich aber über viele Jahrhunderte festgesetzt haben.

Dazu zählen aus dem Sorbischen Begriffe wie:

  • Paporsch = Farnkraut
  • Häwitzschke = Vogelbeerbaum
  • Kutschchen = Schonung oder kleine Kiefern
  • Hitsche = Fußbank

Einflüsse auf unsere Mundart sind ebenso aus dem Niederdeutschen Raum, vermutlich auch von Flamen, besonders im westlichen nördlichen Teil des Altkreises Liebenwerda nachweisbar. So ist das Wort Padde z.B. auch noch in Döllingen für die Kröte zu hören.

Experten rechnen die Mundart unserer Region dem Osterländischen Dialekt zu, der jedoch regional Unterschiede aufweist. Laut Veröffentlichungen im Internet wird er als thüringisch/obersächsisch bezeichnet. Andere grenzen ihn wie folgt ein:

  • In Sachsen bis Leipzig – Eilenburg – Torgau.
  • In Sachsen Anhalt bis Wittenberg – Bitterfeld – Wolfen – Jessen.
  • In Brandenburg bis Bad Liebenwerda – Elsterwerda.

Im Folgenden soll aus der Veröffentlichung in der „Schwarzen Elster“ aus dem Jahr 1921 von F. Nadler eine Auswahl von Wörtern und Redewendungen dargestellt werden, die um diese Zeit noch gebräuchlich waren. ( Die Ausführungen werden nicht im gesamten Umfang dargestellt. Allerdings habe ich einige Positionen ergänzt.)

Der ältere Leser unserer Region wird unterschiedliche Beispiele erkennen und auch örtlich zuordnen können. Es werden folgende mundartliche Beispiele aus der Gegend um Elsterwerda ausgewählt.

Vokalische Veränderungen:

  • Das a wird im Auslaut, vor allem bei Ortsnamen zum e:
    Biehle – Biehla, Kraupe – Kraupa , Dreske – Dreska, Kahle – Kahla, Plesse – Plessa usw.
  • Vor allem in den Schradendörfern und in Plessa hört man für a vor einem g auch äu:
    Mäud – Magd, Wäuner – Wagner, Wäun – Wagen, säute – sagte usw.
  • Für e tritt mitunter das i ein:
    Hinne – Henne, Schnie – Schnee, Ziehe – Zeh, siehre – sehr usw.
  • Umgekehrt erscheint das i als e:
    Berne – Birne, Kerche – Kirche, Sterne – Stirn, erren – irren, brengen – bringen, usw.
  • Das o ist selten rein, es geht oft in u oder im Doppellaut uo oder ui über:
    Burn – Born, Dunner – Donner, Sunne – Sonne, Tur – Tor, kummt – kommt, fruhe, – froh, oder Uom – Ofen, ruot –  rot, wullte oder wellte – wollte usw.
  • Das au wird zum o:
    Bom – Baum, Lob – Laub, Oge – Auge, Stob –Staub, tob – taub usw.
  • Das eu wird zum ei:
    Feier – Feuer, Freind – Freund, Leite – Leute, heite – heute, scheie – scheu, usw.
  • Das eu wird manchmal auch zum au:
    strauen – streuen, Saule – Säule.
  • Das ei verwandelt sich auch mal zum ee:
    Heele, auch Heede – Heide (auch bei Wald verwendet) Seefe – Seife, Schleefe – Schleife, Weezen – Weizen, ich meene – ich meine, keene – keine usw.
  • Die Umlaute ö,ä,ü,äu,eu werden selten rein gesprochen, es treten dafür e, a ,i. ei ein:
    Ahre – Ähre, Krahe – Krähe, Keerbis – Kürbis, Knippel – Knüppel, Miller Müller, Riebe – Rübe, Täre – Tür, Beeme – Bäume, Heiser – Häuser, Knaul -Knäul. heren – hören usw.
  • Gern werden Vokale unorganisch eingeschoben:
    Bemichen – Bäumchen, Bliemichen – Blümchen, Kälwichen – Kälbchen, Rotkählichen – Rotkehlchen, Schälichen – Schälchen usw.
  • Bei Zahlwörtern wird ein e angehängt:
    Ene, zwee, dreie, viere, fünfe bis zehne, elwe,und zwelwe.
  • Oder auch bei:
    Drinne- drin, durte – dort usw.

Konsonantische Veränderungen

  • Für sp und st wird schp und scht gesprochen:
    Schpeck, Schpaß, und Schtock, Durscht, Wurscht usw.
  •  Einen Unterschied zwischen den harten Stoßlauten p, t, k, und den weichen b, d, g, fällt schwer. Es herrscht viel Willkürlichkeit:
    Perg – Berg, Brobe – Probe, Budder – Butter, Pabba – Pappa, gann – kann, Tach – Dach, Danz – Tanz.
  • Das b als Inlaut wird gewöhnlich w:
    Buwe – Bube, Schtuwe – Stube, hawe- habe, Schwalwe, – Schwalbe, awer – aber usw.
  •  Das d und t nach n wird oft zum g:
    Wingel – Windel, bingen – binden, fingen – gefunden, Hingernis – Hindernis, ungen oder ungne – unten usw.
  • Nach Vokalen fällt g oft weg und es tritt h zur Dehnung ein:
    soahen – sagen, froahen – fragen, lähen – legen usw.
  •  Als Anlaut pf steht nur f:
    Ferd – Pferd, Feife – Pfeife, Flug – Pflug usw.
  •  Als In- und Auslaut steht für pf pp:
    Äppel -Apfel, Knopp – Knopf, Kopp – Kopf, Zippel – Zipfel usw.
  • Daran ändert auch eine Verkleinerungssilbe nichts, wie:
    Zöppchen – Zöpfchen, Näppchen – Näpfchen usw.
  •  Zur Verdoppellung und teilweise zur Umbildung kommen auch andere Stoßlaute:
    Gawwel – Gabel, Giwwel – Giebel, Schnawwel – Schnabel, Sipp – Sieb, widder – wieder usw.
  •  Schärfungen gehen zu Dehnungen über:
    Ähge – Egge, Fuhter – Futter, kahlt – kalt, bahle – bald, oahn – an usw.
  •  Auslassungen liegen vor bei:
    Hähre – Herde, Mächen – Mädchen, Moad – Magd, Fere – Pferde, Rehn – Regen usw.

 

Viele Zeitwörter bilden im Imperfektum noch die alte Form, wie zu Luthers Zeiten:

  • Ich hulf – ich half, ich stund – ich stand, ich luf – ich lief, ich wullte – ich wollte usw.
  • Für gewesen steht gewest, für gehabt gehatt usw.
  • Für „sei“ wird das Mittelhochdeutsche „bis“ noch heute gebraucht:
    Bis gut – sei gut, bis zufrieden – sei zufrieden usw.
  • Das „tun“ ist Hilfszeitwort für alle möglichen Tätigkeiten:
    Wir tun arbeiten, ich tue noch schlafen usw.
  • Oder auch: tucks weg- tue es weg.
  • Der Gebrauch der Fürwörter, mir, dir, mich und dich ist ganz unsicher, gewöhnlich falsch. Mich und dich herrschen besonders in Plessa vor.
    Anderorts wird mir und dir durch mähr ersetzt:

    • mähr geht’s nischt an, ich möchte mähr entschuldigen, mähr geht’s gut.
    • Oder: Dähr werd der Deiwel huhlen – dich wir der Teufel holen usw.
    • Auch für wir wird das mähr benutzt:
      Mähr tuns nich, wenn mähr es nich brauchen. – Wir tun es nicht, wenn wir es nicht müssen.

Mit den besitzanzeigenden Fürwörtern mein, dein, unser, euer, ihr kommen manche Freiheiten und Willkürlichkeiten vor:

  • Das ist meine – das gehört mir, das ist unser – das gehört uns. usw
  • Für unsere steht unse: unse Voter, unse Mutter, unse Mächen.
  • Oder auch: mein Voter seine Eltern.

 

Bei Zeitwörtern, besonders in der Frageform der zweiten Person, kommen öfters Zusammensetzungen mit dem Fürwort vor. Die Zusammenziehungen kommen meist auch aus Mittelhochdeutschen:

  • Wärschte – wirst du, kimmste – kommst du, gloobste – glaubst du, heerschte – hörst du, hatter – hat er, mehnste – meinst du.
  • Hierzu gehören auch: Da hammersch – da haben wir es, wißtr – wisst ihr es, miste manse – müsste man sie, saer- sah er.

Benennung von Personen

Bekannte verheiratete Personen wurden von Kindern und Jugendlichen mit dem Familien Namen sowie Vater und Mutter angesprochen:

  • Müllersch Voater, Meirersch Mutter.
  • Oder es wurde statt des Namens „ihre“ gesetzt: Ehre Mutter, ehre Voater.
  • Bei weniger bekannten oder Fremden wurde Muhme und Vetter verwandt: Lehmanns Muhme bzw. Vetter, oder ehre Muhme/Vetter.
  • Der Rittergutsbesitzer war der Herre. So wurde er bzw. die Ehefrau angesprochen bzw. von ihnen gesprochen: Herrns Vetter/Muhme.

Bezeichnung bestimmer Berufe:

  • Meier – Maurer, Rußkehler – Schornsteinfeger, Wäuner – Stellmacher, Bittcher – Böttcher, Schulmeester – Lehrer, Duckter – Arzt.

Auswahl besondere Bezeichnungen:

Ebern – Kartoffeln, Bemme – Brotschnitte, Hamfel – Hand voll, Kreitig –Tannezweige, Hannschchen – Handschuhe, Mannsen – Mann, Weibsen – Weib/Frau, Mache oder Abmache – Fettzusatz bei der Essenzubereitung, Mensche – liederliches Frauenzimmer, Motsche – Kuh, Nähst – Nest auch Bezeichnung für Bett, Plumpe – Pumpe, Sauerlumpe – Sauerampfer, Schiebchen – kleine Hühnerkücken, putt,putt,putt – Lockruf für Hühner, wule, wule, wule – Lockruf für kleine Gänse oder Enten, Schoobe – Kopftuch, Seeger – Wanduhr, Zieche – Bettbezug, Siee – See, äschern – übereifriges Arbeiten, eintitzschen – Kuchen bzw. Brötchen in den Kaffee eintauchen, grinsen – weinen, moschen – leichsinnig verstreuen, barbes – barfuß, gieprich – gierig, heesch – heiser, mautschich – eine teigige Birne, schiene – schön, risch – rasch, bahle – bald, gälgn – plötzlich, hehme – zu Haus, lenk – entlang, umne – oben, ungne – unten, sunne – solche, volterns – vollends, dadorvon – davon – dessertwegen – derwegen, driwwerweg – darüber hin weg.